Die sechs Fastentage des Schauwal

Der Gesandte Allahs – möge Allāh ihn segnen und ihm Frieden schenken! – sagte:

Wer den Monat Ramadan gefastet hat und danach sechs Tage im (darauf folgenden) Monat Schauwal fastet, der ist so, als hätte er das ganze Jahr gefastet.Muslim

Eine Gruppe von Gelehrten – die Hanafiyyah und Hanabilah – meint, dass man/frau zuerst den Ramadan vollständig in dem Sinne abgeschlossen haben muss, als dass man alle nachzuholenden Tage auch nachgefastet hat. Schüler dieser Auffassung geben den Hadith gerne mit Kommentar in Klammer wie folgt wieder:

Wer den Monat Ramadan (vollständig) gefastet hat und danach sechs Tage im (darauf folgenden) Monat Schauwal fastet, der ist so, als hätte er das ganze Jahr gefastet.Muslim

Doch diese Einengung ist keine, welche per Konsens der Gelehrten feststeht. Gerne gebe ich hier der anderen Auffassung Raum, denn so erhoffe ich mir, dass eine größere Anzahl dem Hadith nachkommen werden wird (können). Auch ist den Schwestern dadurch mehr geholfen, die durch erstere Ansicht in dem Sinne benachteiligt wären, als dass sie aufgrund der Monatsregel innerhalb des Folgemonats erst nachfasten und danach noch die sechs Tage des Schauwal zu fasten hätten.

Kommen wir zu den Argumenten derjenigen, die sagen, dass man zuerst die 6 Tage des Schauwal fasten und ruhig danach die nachzufastenden Ramadantage anschließen kann:

  1. Gemäß einer Fiqh-Regel muss ein aus einem einschränkenden Text entnehmbarer Inhalt nicht auf einen Ausnahmefall angewandt werden, wenn der einschränkende Text sich auf einen Regelfall bezieht. Also nochmal: Der einschränkende Text „Wer den Monat Ramadan gefastet hat“ bezieht sich auf den Regelfall, dass man den Ramadan ohne Unterbrechung gefastet hat. Die daraus auch für andere (Ausnahme-)Fälle interpretierbare einschränkende Bedeutung – also im Falle, dass man nachzufasten hat – muss nicht auf diesen Ausnahmefall angewandt werden.
    Insofern können wir davon ausgehen, dass die versprochene Belohnung „als hätte er das ganze Jahr gefastet“ dann erlangt wird, wenn man auch seine Ramadantage nachgefastet hat.
  2. Der Hadith ist nicht in dem Sinne wortwörtlich zu verstehen, da ansonsten alle Frauen, die eine Monatsregel haben, ausgeschlossen sind, denn sie fasten nicht alle Tage des Ramadan im Ramadan – sondern holen immer einige Tage nach!
  3. Auch wäre die Frau, welche den Ramadan im Wochenbett verbrachte, komplett von diesem Hadith ausgeschlossen, wenn wir die Auffassung der Hanafiyyah und Hanabilah annehmen.
  4. Es ist rein sprachlich nicht möglich, Ramadan in anderen Monaten zu fasten, sondern eben nur Pflichtfastentage des Ramadan in anderen Monaten nachzuholen. Derjenige also, der meint, dass die Belohnung nur dadurch abzusichern ist, erst Pflichtfastentage des Ramadan im Schauwal nachzuholen und dann im Anschluss die 6 Tage des Schauwal zu fasten, widerspricht der sprachlichen Beschaffenheit des Hadiths – die er vorzugeben verteidigt.
  5. Ein weiteres Argument, welche die Ansicht bestätigt, dass man erst die sechs Tage des Schauwal und im Anschluss die Pflichtfastentage nachzuholen vermag – und sei es Monate später – ist, dass davon auszugehen ist, dass Aisha – möge Allāh mit ihr zufrieden sein! – die sechs Tage des Schauwal zu fasten pflegte, jedoch von ihr überliefert ist, dass sie manchmal erst einen Monat vor Ramadan dazu kam, ihre Ramadantage nachzuholen. (Muwatta Imam Malik)

Einen Dank an dieser Stelle Neil bin Radhan, der die Argumente (ausführlicher) in dem von ihm übersetzen Werk Schaikh Muhammad Al-Mukhtar Asch-Schinqitis darlegte.1

  1. Radhan, Neil: Fiqh: Fasten. Bd. 4., 1. Auflage: Darulkitab-Verlag-Haus, 2012 []