Abu Hanifas (r) Umgang mit der Sunna

Ibn Abi Schayba (r) zählt 125 Fälle auf, von denen er meint, dass Imam Abu Hanifa (r) einen authentischen Hadith nicht angewandt hat. Zwei wichtige Anmerkungen an dieser Stelle:

  • Imam Abu Hanifa (r) verließ den offenbaren Wortlaut der Hadithe nicht ohne islamrechtlich korrekten Beweggrund.
  • Imam Abu Hanifa (r) war in diesen Fällen nicht allein mit seiner Auffassung, vielmehr stimmten ein Imam oder in den meisten Fällen gar mehrere Imame anderer Rechtsschulen, mit ihm überein.
  • Mehr als die anderen berühmten Rechtsgelehrten pflegte Imam Abu Hanifa (r) durch Gremien zu seinen Entscheidungen zu kommen, somit sind seine Auffassungen oft auch von anderen Mudschtahid-Imamen gegengeprüft gewesenen

Zwei Urteile, welche Ibn Abi Schayba (r) bei Imam Abu Hanifa (r) kritisierte, werden wir im Folgenden näher beleuchten.

Erste Thematik: Wann gilt ein Handel als abgeschlossen?

Sufian ibn Uyana (r) traf mit Imam Abu Hanifa (r) zusammen und fragte ihn: „Ist es wahr, dass dies deine Fatwa ist: Dass der Verkauf für beide, dem Käufer wie auch dem Verkäufer verbindlich ist, sobald sie aufhören über das Geschäft zu sprechen und das Gesprächsthema wechseln, sich jedoch noch zusammen am selben Ort befinden?“ Imam Abu Hanifa (r) stimmte dem zu. Sufian (r) sagte: „Wie kann das sein, wo doch der Prophet (saw) in einem authentischen Hadith sagte „…dem Käufer und dem Verkäufer bleibt es offen (das Geschäft rückgängig zu machen), solange sie sich nicht voneinander trennen“?

Belege aus der Logik

Imam Abu Hanifa (r) antwortete Sufian ibn Uyana (r) in Form einer Frage: „Was würdest du sagen, wenn sie zusammen auf einem Boot, im Gefängnis oder gemeinsam auf Reisen wären? Wie würden sie sich voneinander trennen?“

Belege aus der quranischen Sprache

Und haltet alle fest am Seil Allahs und geht nicht auseinander!(Quran 3: 103)

Belege aus der Sprache der Sunna

Der Prophet (saw) sagte:

Die Juden haben sich getrennt.Der Prophet (saw)

In beiden Texten ist nicht ein physisches Auseinandergehen angesprochen.

Fazit

Es wird deutlich, dass Imam Abu Hanifa (r) nicht gegen die Sunna des Propheten (saw) ging, vielmehr war sein Verständnis des Trennens eines der Rede und kein physisches Trennen. Mit dieser Sicht bezog er die übergeordnete Zielsetzung von Verträgen und Transaktionen mit in die Betrachtung. Die Beispiele von Personen die Imam Abu Hanifa (r) anführt, zeigen auf, dass Käufer und Verkäufer vielleicht für Monate am selben Ort zusammen bleiben müssen, würde dies dann bedeuten, dass ihre geschlossenen Verträge nicht vollständig sind? Und dass jeder der Parteien den Vertrag widerrufen kann, wann es ihm beliebt?

Zweite Thematik: Sind Kinder immer gleichmäßig zu beschenken?

Er berichtet Muhammad ibn Numan (r), der über seinen Vater erzählt: Numan (r) gab mir ein Geschenk und ging zum Gesandten (saw), dass dieser dies bezeugt. Der Prophet (saw) fragte: Hast du Selbiges deinen anderen Kindern gegeben? Er verneinte. Dann nimm dein Geschenk zurück.(Bukhari und Muslim)

Die Mehrheit der Gelehrten, darunter Imam Maalik (r), Al- Layth (r), Ath- Thauri (r), Asch- Schaafi`i (r) sowie Abu Hanifa (r) und seine Anhänger,meint, dass es nicht verpflichtend ist, all seinen Kindern gleichermaßen Geschenke zu machen, sondern lediglich empfohlen.

Einige andere Gelehrte meinen, dass es verabscheut, jedoch möglich ist (makruh), ungleichermaßen zu beschenken. Al- Bayhaqi (r) führte zehn Gründe auf, warum es empfohlen, jedoch nicht verpflichtend ist, Kinder gleichermaßen zu beschenken. Asch- Schafi`i (r) überliefert, dass Abu Bakr (ra) seine Tochter Aisha (ra) sowie Umar (ra) seinen Sohn Asim (r) bei Geschenken bevorzugte. Andere Gefährten taten Selbiges, etwas was eindeutig zu verstehen gibt, dass es sich um eine allgemeine Empfehlung handelt.

Ibn Al- Mubarak (r), Imam Ahmad (r) und die Dhaahiriya sind der Auffassung, dass es verpflichtend ist, allen Kindern gleichermaßen Geschenke zu machen und urteilen entsprechend dem offenbaren Wortlaut einiger Hadithe.

Grund für den Meinungsunterschied

Der Hadith wurde in verschiedenen Überlieferungen mit jeweils verschiedenen Wortlauten berichtet und einige von diesen gaben zu verstehen, dass die gleiche Vergabe lediglich empfohlen ist: „Macht jemand anderem zum Zeugen über dies“ und „Würde es dich nicht zufrieden stellen, wenn sich alle deine Kinder gleichermaßen pflichtbewusst dir gegenüber benehmen würden?“ Andere Überlieferungen deuten jedoch auf eine Verpflichtung hin: „Ich werde kein Unrecht bezeugen“ und „Nimm sie zurück.“ In Bezug auf all diese Überlieferungen sagte Al- Qadi Iyad (r): „Zwischen diesen Überlieferungen zu kombinieren ist besser als einige von ihnen ganz zu verlassen. Der Weg zwischen allen zu kombinieren ist, das Gebot der Empfehlung abzuleiten.“ In seinem Kommentar von Sahieh Muslim fährt Al- Qadi Iyad (r) damit fort, warum alle Überlieferungen zusammen im Gebot der Empfehlung münden sollen.

Und Gott allein weiß es besser und ist über sämtliche Mängel erhaben!

Quellen:
Dr. Mustafa As- Siba`ee, „The Sunna and its role in the Islamic legislation”, Islamic International Publishing House, Riyadh 2008

Zahra, Muhammad Abu, (Übersetzer: Bewley, Abdalhaqq ; Waley, M.I. ; Bewley, Aisha Abdurrahman): The Four Imams. The Lives and Teaching of Their Founders, Dar Al-Taqwa, 2010.